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Zielgruppe & Art des Inhalts
"Fantasiestaatliche Glaubensgemeinschaft"

Die folgenden Fallbeispiele stammen aus langjähriger Beratungspraxis und wurden für diese Zwecke anonymisiert und teilweise fiktionalisiert. Sie dienen der Veranschaulichung typischer Situationen und möglicher Handlungsoptionen.

Bei realen rechtsextremen Vorfällen ist jedoch stets eine fallspezifische, bedarfsgerechte Analyse erforderlich, da sich Zusammenhänge je nach Kontext unterschiedlich darstellen und bewerten lassen.

Eine Familie legt bei der Kitaanmeldung ihres Kindes selbst angefertigte Dokumente vor, die sie als Mitglieder einer selbstverwalterischen Glaubensgemeinschaft ausweisen. Bereits in den ersten Wochen beschwert sich der Vater wiederholt darüber, dass sein Kind Speisen wie den mitgebrachten Geburtstags-Kuchen eines anderen Kindes isst oder an Aktivitäten im Kindergarten teilnimmt, die für ihn inakzeptabel seien. Dies und einige pädagogischen Angebote wertet er als fremdbestimmte und unzulässige Eingriffe in die Gesundheit und Persönlichkeit seines Kindes und verlangt, es davon auszuschließen. Darüber hinaus sollen die Erzieher:innen im Falle eines Notfalls keinen Rettungsdienst hinzuziehen, sondern nur die Eltern informieren, da diese „schulmedizinische Eingriffe“ ablehnen. Begründet werden die Beschwerden und Positionen mit der Zugehörigkeit zu seiner Glaubensgemeinschaft. Später wendet sich die Mutter eines Kindes aus derselben Kita-Gruppe an die Erzieher:innen, da ihr im Eltern-Gruppenchat das Profilbild des Vaters aufgefallen sei, das eine Karikatur mit Aufrufen zur Lynch-Justiz gegen Regierungsvertreter:innen zeigt.

Was ist das Problem?

Die selbst angefertigten Ausweispapiere deuten auf eine Zugehörigkeit zum sogenannten Reichsbürger- und Selbstverwaltermilieu hin:

Das Milieu zweifelt aus unterschiedlichen Motiven die Legitimität und die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland an.

  • Es handelt sich um ein breites Spektrum von Einstellungen und Erzählungen, die Überschneidungen zum Rechtsextremismus ausweisen.

  • Weitere Informationen in dieser Broschüre

Die Selbstbezeichnung als Glaubensgemeinschaft erschwert den Umgang, da darauf Rücksicht genommen werden muss.

Die Forderung, im Notfall ausschließlich die Eltern zu informieren und keine medizinische Hilfe zu veranlassen, widerspricht dem gesetzlichen Betreuungs- und Schutzauftrag. Erzieher:innen sind verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten, bei schweren Verletzungen den Rettungsdienst zu rufen und die Eltern umgehend zu benachrichtigen.

Der Eltern-Chat wird für Aufrufe zur Gewalt missbraucht.

Was kann getan werden?

Elterngespräch mit klarem Fokus auf das Kindeswohl: Hinweis auf das Ziel, dass sich das Kind wohlfühlt und Teil der Gruppe sein kann, ohne in eine Sonderposition gedrängt zu werden

Auf die formellen Abläufe der Kita hinweisen (Verwaltungsvorgänge, Fristen und andere Formalitäten)

  • Selbst angefertigte Ausweispapiere mit Verweis auf die Anmeldebedingungen zurückweisen und auf offizielle Dokumente bestehen

  • Transparente Kommunikation über das Vorgehen im Falle eines Unfalls

Ungleichwertigkeitsvorstellungen zurückweisen, ohne sich auf juristische oder andere Grundsatzdiskussionen einzulassen

Elternabend zum Umgang mit dem Elternchat organisieren:

  • Wie soll der Chat genutzt werden?

  • Wie soll er nicht genutzt werden?

  • Was tun bei Regelverstößen?

Gemeinsam gegen Rechtsextremismus, Reichsbürger- und Verschwörungsideologien
Rechtsextremismus und Schule
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InfoPool Rechtsextremismus - Bundeszentrale für politische Bildung
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