Die folgenden Fallbeispiele stammen aus langjähriger Beratungspraxis und wurden für diese Zwecke anonymisiert und teilweise fiktionalisiert. Sie dienen der Veranschaulichung typischer Situationen und möglicher Handlungsoptionen.
Bei realen rechtsextremen Vorfällen ist jedoch stets eine fallspezifische, bedarfsgerechte Analyse erforderlich, da sich Zusammenhänge je nach Kontext unterschiedlich darstellen und bewerten lassen.
In einer Familie mit drei Kindern im Alter zwischen 3 und 14 Jahren wird eine Familienhilfe installiert, um die konfliktreiche Trennung der Eltern abzufedern und die nun alleinerziehende Mutter bei Alltags- und Erziehungsherausforderungen zu unterstützen. Nach einigen Monaten findet die Mutter einen neuen Partner und der Familienhelferin fallen zunehmend Veränderungen im Verhalten der Kinder auf. Unter anderem gerät der älteste Sohn vermehrt in Konflikte mit Gleichaltrigen, die auch in der Schule zu Problemen führen. Darauf angesprochen, rechtfertigt er sein Verhalten mit rassistischen Positionen. Beim darauffolgenden Gespräch mit der Mutter fallen der Familienhelferin im Wohnzimmer eine Reichskriegsflagge und ein gerahmtes Bild von einer bekannten Rechtsrockband auf. Das Verhalten des ältesten Sohnes wird von der Mutter verharmlost. Bevor die Familienhelferin auf die Folgen hinweisen kann, die sein Verhalten auch auf seine Schulbildung haben könnte, kommt der neue Partner der Kindsmutter dazu – auf seinem Shirt der Schriftzug eines verbotenen, rechtsextremen Kampfsportturniers. Er baut sich bedrohlich vor der Familienhelferin auf und fragt provokant, was sie denn für ein Problem habe und ob sie nicht verstanden habe, dass das Verhalten des Jungen kein Problem sei. Um die Situation zu deeskalieren, bricht die Familienhelferin das Gespräch ab. Beim Verlassen der Wohnung hört sie den neuen Partner der Kindsmutter laut sagen: „So eine brauchen wir nicht, die hier bei uns rumschnüffelt.“
Was ist das Problem?
Der 14-jährige Sohn zeigt rassistische Haltungen, die sich auch in aggressivem Verhalten gegenüber Gleichaltrigen widerspiegeln. Dadurch wird er zur Bedrohung für andere Jugendliche und bringt sich gleichzeitig selbst in Schwierigkeiten.
Die verharmlosende Reaktion der Mutter auf das Verhalten ihres Sohnes wirft die Frage auf, ob Wertevermittlung und Erziehung dazu beitragen, dass sich der Sohn zu einer offenen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann.
Die provokante Einmischung des neuen Partners und sein bedrohliches Auftreten, werfen Fragen nach der Sicherheit der Familienhelferin auf. Hier stehen der Eigenschutz der Familienhelferin und der Hilfeauftrag zum Wohl der in der Familie lebenden Kinder einander gegenüber.
Die Mitwirkbereitschaft der Mutter ist Bedingung für die Familienhilfe.
Was kann getan werden?
Innerhalb des Familienhilfeträgers:
Teamgespräch über die Vorkommnisse und besorgniserregenden Veränderungen innerhalb der Familie
Kann die Familienhilfe unter gegebenen Umständen fortgeführt werden? Der Schutz der Familienhelferin muss hier eine entscheidende Rolle spielen.
Welche Bedingungen sind hierfür notwendig? Mögliche Szenarien:
Weiterführung der Beratung gemeinsam mit eine:r Kolleg:in
Weiterführung der Beratung im Büro der Familienhelferin
Wechsel der Familienhelferin und erneuter Beziehungsaufbau
Klärendes Gespräch mit der Kindsmutter über Umgangsformen, mögliche Konsequenzen für die Familienhilfe sowie eine Einigung über das Arbeitsbündnis zum Wohl der in der Familie lebenden Kinder
Supervision und regelmäßige Fallberatung
Einbeziehung von entsprechenden Fachstellen, die zum Thema Rechtsextremismus und Familie beraten
Fortbildung bspw. zum „Thema Rechtsextremismus und Familie“ oder „Konfliktsituationen“ für das Team
Mit der Kindsmutter:
Notwendigkeit der Herstellung eines Arbeitsbündnisses
Im Sinne des Kindeswohls Positionierung gegen Menschenverachtung
Rücksprache mit Sachbearbeiter:in des Jugendamts
Anpassung des Hilfeplans und der zu ergreifenden Maßnahmen
Maßnahmen und Angebote für in die in der Familie lebenden Kinder
Gespräch mit Schule des 14-jährigen Kindes, um weiteres Vorgehen zu besprechen
Die Schulsozialarbeit könnte als Ressource einbezogen werden