Die folgenden Fallbeispiele stammen aus langjähriger Beratungspraxis und wurden für diese Zwecke anonymisiert und teilweise fiktionalisiert. Sie dienen der Veranschaulichung typischer Situationen und möglicher Handlungsoptionen.
Bei realen rechtsextremen Vorfällen ist jedoch stets eine fallspezifische, bedarfsgerechte Analyse erforderlich, da sich Zusammenhänge je nach Kontext unterschiedlich darstellen und bewerten lassen.
In der 7. Klasse fällt ein Schüler wiederholt mit eindeutig rassistischen Äußerungen und einer verbalisierten Affinität zu Waffen auf. Es gibt immer wieder Hinweise darauf, dass die rassistischen Äußerungen aus dem Elternhaus übernommen wurden. So sagt der Junge beispielsweise, darüber habe er mit seinem Vater einen Film gesehen und manche Dinge dürfe er in der Schule nicht sagen. Der Junge hat eine gewisse Ausstrahlung und Einfluss auf die anderen Jungen in der Klasse, was dazu führt, dass im Klassenraum häufiger rassistische Sprüche zu hören sind, die sich auch gegen eine Klassenkameradin deutsch-marokkanischer Herkunft richten. Die Eltern des Mädchens äußern in einem Elterngespräch mit dem Klassenlehrer ihr Unbehagen über das Verhalten des Jungen und die neue Dynamik in der Klasse.
Bei den ersten Begegnungen des Klassenlehrers mit den Eltern des Jungen zeigt sich eine ideologisch rechtsextreme Festigung des Elternhauses. Der Vater trägt neben T-Shirt-Motiven wie der „Schwarzen Sonne“ konsequent Kleidung der Marke „Thor Steinar“. Die große Schwester des Jungen wird von einer Lehrerin hingegen als sehr zurückhaltend, angepasst und still beschrieben.
Was ist das Problem?
Im Verhalten der beiden Kinder zeigen sich typische, vergeschlechtlichte Sozialisationsmerkmale von Kindern, die in extrem rechten Elternhäusern aufwachsen:
- Offen rassistische Beleidigungen, Gewaltaffinität und Dominanz bei dem Jungen
- Anpassung und Zurückhaltung bei dem Mädchen
Das Klassenklima wird durch das Verhalten des Jungen negativ beeinflusst. Das deutsch-marokkanische Mädchen ist von den diskriminierenden Handlungen des Jungen unmittelbar betroffen. Andere Schüler:innen in der Klassen scheinen für das Verhalten des Jungen empfänglich zu sein.
Um das Problem anzugehen, muss mit allen Beteiligten gearbeitet werden: mit den Kindern aus der extrem rechten Familie und deren Eltern, mit dem von Diskriminierung betroffenen Mädchen und deren Eltern sowie mit der Klassengemeinschaft.
Die Schule hat den demokratischen Bildungsauftrag, diskriminierenden Inhalten zu widersprechen:
Siehe §1 Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule, Schulgesetz des Landes Sachsen Anhalt: „In Erfüllung dieses Auftrages ist die Schule insbesondere gehalten, […] den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse, Fähigkeiten und Werthaltungen zu vermitteln, welche die Gleichachtung und Gleichberechtigung der Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Abstammung, ihrer Rasse, […] fördern, und über Möglichkeiten des Abbaus von Diskriminierungen und Benachteiligungen aufzuklären […]“
Was kann getan werden?
Priorität hat zunächst der Schutz des Mädchens vor weiteren Diskriminierungserfahrung
- Im Gespräch mit den Eltern müssen deren Sorgen ernst genommen und es muss dargelegt werden, welche Möglichkeiten die Schule hat, um gegen weitere Diskriminierungserfahrungen ihres Kindes vorzugehen.
- Es braucht ein vertrauliches Gespräch mit dem Mädchen, in dem ihr Möglichkeiten darlegt werden, wie sie vom Klassenlehrer unterstützt werden kann, um sich in der Klasse wohlzufühlen (Sitzordnung, ansprechbare Vertrauensperson, klare Zurückweisung und Parteiergreifung bei diskriminierenden Sprüchen etc.)
Zudem muss in jeweils getrennten Einzelgesprächen mit dem diskriminierenden Jungen und seinen Eltern auf die Werte der Schule und den daraus resultierenden Grenzen für diskriminierendes Verhalten verwiesen werden.
In dem Gespräch mit dem Jungen sollte klar zwischen dem problematischen Verhalten und seiner Person getrennt werden, um ihm deutlich zu machen, dass er als Person weiterhin geschätzt , sein diskriminierendes Verhalten in der Schule jedoch nicht geduldet wird.
Wichtig ist dabei, das Vertrauensverhältnis zum Jungen möglichst aufrechtzuerhalten, seinen rassistischen Aussagen aber gleichzeitig mit einer klaren Haltung zu begegnen.
Die Eltern müssen in ihrer Eltern-Rolle anerkannt, aber klar auf die Unvereinbarkeit der schulischen Werte mit rechtsextremer Ideologie hingewiesen werden - dabei kann auf das gemeinsame Interesse von Lehrkraft und Eltern appelliert werden, schulische Ordnungsmaßnahmen gegen den Jungen abzuwenden.
Ohne das von Diskriminierung betroffene Mädchen explizit zu nennen, kann sich mit der Klasse noch einmal auf allgemeine Regeln des Miteinanders und die Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung verständigt werden.